Schlusslicht Steiermark: Kinderbetreuung war hier noch nie Chefsache.
Während die Angebote an Hundehotels und Hundebetreungseinrichtungen sich in den letzten 10 Jahren gefühlt verdoppelt haben, bleibt in der Steiermark die Betreuung von Kleinkindern Frauensache. Und dass Frauen hier keine Chefs sind, das ist allgemein bekannt. Frau X ist Alleinerzieherin. Das muss sie dem Bürgermeister ihrer Wohngemeinde erst einmal erklären! Denn der kennt ihre Familie und auch den Kindsvater, über den er nichts Schlechtes sagen kann. Zweieinhalb Jahre lang versucht Frau X nun schon, ihren Sohn in einem Kindergarten in der Region unterzubringen. Sie arbeitet als Fachkraft in der mobilen Pflege in mehreren Leibnitzer Gemeinden, aber nirgendwo ist ein Kindergartenplatz für ihren Philipp. Zuerst lässt sich Frau X vertrösten und denkt, sie muss einfach nur warten, bis ihr Sohn drei Jahre alt ist, dann wird sicher alles leichter.
Sie nimmt die Elternteilzeit in Anspruch und macht einige Abstriche beim Lebensstandard. Nun wird Philipp aber schon vier und hat noch immer keinen Platz bekommen. Die Tagesmutter im angrenzenden Bezirk, die nur eine Notlösung hätte sein sollen, nimmt gut und gern das Dreifache von dem, was der Vater an Kindesunterhalt überweist. Der Vater ist selbständig und kann nicht nur nicht mehr zahlen, er kommt auch seinen vereinbarten Besuchsterminen so gut wie gar nicht nach. Bevor Frau X verzweifelt zur Frauenberatungsstelle kommt und sagt: „Das kann doch nicht sein, dass ausgerechnet für mein Kind kein Platz da ist!“, fragt sie nochmals beim Bürgermeister, der ihre Not nun schon zwei Jahre kennt. Der schüttelt nur den Kopf und gibt ihr den Rat, sich selbst besser zu organisieren. Ihretwegen können sie keinen durchgängigen Sommerkindergarten in der Gemeinde aufmachen.
Die Kinderbetreuerinnen wollen auch Sommerurlaub haben. Es gibt 300 Kinder in der Gemeinde, die werden alle privat betreut, wenn der Kindergarten einmal geschlossen hat (zu Weihnachten, zu Ostern, zu Pfingsten und vier Wochen im Sommer). Alle anderen Frauen sind in der Lage, irgendwie durchzukommen. „Lass dich von deiner Mutter nicht abwimmeln“, rät der Bürgermeister. „Die wird sich doch freuen über ihr Enkerl, oder?“
Frau X ist kein Einzelfall. Am Land sind die Uhren stehen geblieben. Wie vor 40 Jahren muss man sich als Mutter hier rechtfertigen, eine Bestätigung vom Arbeitgeber bringen, damit man einen Ganztagesplatz für ein Kind bekommt. Erniedrigend und scheinbar unabänderlich, wie die Warteschlange vor dem Damenklo, ist der Mangel an guten, ganzjährigen Betreuungsplätzen für Kinder von 0 bis 5 Jahren. Gerade so, als gäbe es keine Frauen, die in der Pflege oder im Gastgewerbe arbeiten müssten. Frau X fühlt sich als Versagerin. Sie sagt: „Wie schön wäre mein Leben ohne Kind!“ Und sofort fühlt sich Frau X wieder schuldig. Wie kann sie so etwas nur sagen! Sie liebt ihren Philipp über alles. „Wenn wir am Abend kuscheln, dann ist die Welt in Ordnung. Dann weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe.“
Knete, Kinder, Kooperation, das wäre ein Thema für alle politischen Parteien. Die sind allerdings alle mehr oder weniger dauerhaft mit sich selbst beschäftigt. So kommt es jeder Mutter so vor, als wäre sie die erste Frau, die solche Probleme mit ihrem Kind hat. Victimblaming. Strukturelle Gewalt ist dafür der Fachterminus.